Lukas Haffert: „Die schwarze Null – über die Schattenseiten ausgeglichener Haushalte“, so lautet der Buchtitel 1)hier zum Buch (2016), 146 schlanke Seiten, sehr gut lesbar, hier zum PDF mit dem Titel „Freiheit von Schulden – Freiheit zum Gestalten? Die Politische Ökonomie von Haushaltsüberschüssen“ (2015), ausführliche 336 Seiten Der Autor hat über das Thema promoviert.
Willst Du etwas Neues finden, schau in alten Büchern nach 2)erneut gehend die Belege und Zitate bis 18 Jh. zurück Bildquelle: Pixabay.com
Auf den Hinweis: „Haushaltsüberschüsse sind gar nicht so selten!“ wurde Haffert oft gefragt: „Wie machen die Länder das?“
Nun, dazu gehört vor allem ein langfristiger(!) Plan! Haffert teilt Länder mit Haushaltsüberschüssen ein in Länder die mehrfach Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet haben, und diese wiederum
- in Länder mit Überschussepisoden (Überschuss in 3 J. oder weniger, ohne langfristigen Plan – sozusagen „durch glückliche Umstände passiert“ ) und
- in Länder mit Überschussregimen (Länder mit einer Weichenstellung vor Erlangung eines Haushalts-überschusses und einem dementsprechenden langfristigen Plan).
Dann untersucht er, ob das Versprechen der schwarzen Null
- der Staat bekommt mehr Gestaltungsfreiheit weil Zins- und Tilgungslast gedrückt werden – er kann sich mehr staatliche Leistungen leisten, auf den Punkt gebracht: „Mehr Wohlstand für alle!“ oder
- der private Sektor bekommt mehr Gestaltungsraum weil der Staat sich zurückzieht – er senkt Steuern und reduziert analog seine Leistungen 3)ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Oma Erna bekommt mehr Gestaltungsfreiheit für ihr Sparschwein … oder der dickste Fisch im Teich bekommt noch mehr zu fressen(!?) .
So oder so stellt sich das Versprechen der schwarzen Null dar. 4)die 0 ist ja kein Selbstzweck … oder etwa doch? Nur „Politmarketig“? Hm?
Das Ergebnis darf erraten werden …
Unser Fazit: Die schwarze Null ist ein Mythos! Selbst in Ländern mit Überschussregimen (ausgeglichener Haushalt über mindestens 10 Jahre in Folge(!) werden die Erwartungen an sie nicht erfüllt! Das ist das Ergebnis von mehr als 4 J Forschung und der Auswertung vieler Quellen und Daten.
Letzte Redaktion 27.01.2023, 22:30 h
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Zitat aus dem PDF:
… Ganze sieben Länder vereinen mehr als drei Viertel der Überschussjahre auf sich, nämlich Australien, Dänemark, Finnland, Irland, Kanada, Neuseeland und Schweden. Ihnen gelang es, die Überschüsse für mehr als eine Dekade zu bewahren, während diese in den anderen Ländern nur Episoden blieben, die schon bald wieder von Defiziten abgelöst wurden. …
… [sie] unterscheiden sich nicht nur in der Überschussdauer von jenen Ländern, die ihren Überschuss schnell wieder verloren. Bereits die Entstehung der Überschüsse verlief vollkommen anders. Während die langfristigen Überschüsse das Ergebnis dezidierter politischer Entscheidungen sind, handelt es sich bei den kurzen Überschüssen vor allem um Nebenprodukte besonders günstiger Konjunkturlagen. Damit ist bereits die notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit der progressiven Konsolidierungsthese 5)hiermit ist gemeint, dass der Staat durch Haushaltsüberschüsse mehr Gestaltungsspielraum bekommt und nutzt, s. S. 18/19 im PDF, nämlich eine strukturelle Sanierung des öffentlichen Haushalts, nicht erfüllt. …“ (S. 22/23 – Hervorhebung HHö)
Natürlich schränken Schulden wegen der Zins– und Tilgungslast den Gestaltungsspielraum, die „Handlungsfähigkeit“ (des Staates), ein. Daher ist ein ausgeglichener Haushalt (im Bereich ± eines einstelligen Milliardebetrags) von Vorteil, denn dieser verspricht „Handlungsfähigkeit“ . Es ist logisch, dass ausgeglichene Haushalte/Überschüsse nicht auf ewig zu erzielen sind – man denke an die ausgabenintensiven großen Krisen der letzten 15 Jahre (z.B. die Weltfinanzkrise (GFC), Corona, Ukrainekrieg) –, dass es aber struktureller, grundsätzlicher Veränderungen bedarf, um Haushaltsüberschüsse nicht nur zu besonders günstigen Zeiten und nur vorübergehend zu erzielen. In jedem Fall steht fest, dass Haushaltsüberschüsse nur durch dauerhaft sparsame Haushaltsführung (Austerität) erzielt werden. Und es darf nicht vergessen werden, dass folgende Generationen von den heutigen Investitionen profitieren. 6)müsste man Kredite aufnehmen für Investitionen, bspw. die Leverkusener Rheinbrücke, könnte man ja auch sagen: „Schulden aufnehmen für eine neue Brücke? Nö! Diese Schulden müssten ja unsere Kinder tragen! Sollen doch sie sehen, wie sie über den Rhein kommen!“ Das ist natürlich Unsinn!
[Handlungsfähigkeit] bezieht sich einerseits auf die Gegenwart, in der staatliches Handeln mehr sein soll als die Exekution in der Vergangenheit getroffener Entscheidungen, weil bereits alle Staatseinnahmen für die Kosten früherer Zahlungsversprechen verplant sind. Daneben geht es in diesem Verständnis aber auch um die Zukunft – und um die Fähigkeit, diese aktiv zu beeinflussen. Die Politik soll in wichtige gesellschaftliche Entwicklungen eingreifen und ihnen neue Impulse geben können, etwa indem sie Ressourcen für Investitionen in Infrastruktur sowie in Bildung, Familien und andere Elemente eines social investment welfare state zur Verfügung stellt.“ (S. 24)
Die Frage ist also: Wie verwenden Staaten dauerhafte Haushaltsüberschüsse? Senken sie Steuern, erhöhen sie Staatsausgaben und wenn ja, in welchen Bereichen, oder bilden sie ein staatliches Vermögen (einen Sparstrumpf)? Was also bedeutet, was erwächst aus einem Mehr an Handlungs-/Gestaltungsmöglichkeit?
Handlungsfähigkeit bedeutet einerseits nur ein Potential (man ist in der Lage zu handeln), andererseits bringt Handlungsfähigkeit nichts, wenn sie nicht genutzt wird einen Nutzen für die Menschen zu erzeugen. Es macht keinen Sinn aus sich heraus, staatliche Investitionen aufzuschieben oder Sozialleistungen für die Bürger zu kürzen – und genau da hapert es:
Seit über dreißig Jahren befinden sich die entwickelten kapitalistischen Demokratien in einer Ära permanenter Austerität. Fiskalische Sparzwänge 7)einem Sparzwang folgen heißt: Man wird getrieben/lässt sich treiben! Das ist keine Politik! sind zu einem Dauerzustand geworden, der sich durch die Weltfinanzkrise der Jahre nach 2008 noch einmal erheblich verschärft hat. Vor diesem Hintergrund scheinen Haushaltsüberschüsse die Rückkehr eines Staates zu verheißen, der gestaltungswillig und gestaltungsfähig ist. Wenn die Sparmaßnahmen erst einmal erfolgreich waren, dann – so die Hoffnung – kann der Staat wieder Quelle von »happiness« statt von »misery« sein und den Senioren ihren Wunsch nach höheren Renten ebenso erfüllen wie den Studenten ihren Wunsch nach besseren Universitäten und den Unternehmen ihren Wunsch nach Steuererleichterungen. … (Hervorhebung – HHö)
und weiter
Selbst Länder mit dauerhaften Haushaltsüberschüssen sind deshalb nur sehr begrenzt in der Lage, „to forge a new destiny for [themselves]“ („ein anderes Schicksal für [sich] zu schmieden“– Martin 1997: 28). Überschüsse sind eben kein Zeichen zurückkehrenden Überflusses, der nun wieder eine gestaltende Politik erlaubt. Sie sind vielmehr hart erkämpft, und zwar gerade durch den Verzicht auf solche Gestaltungsambitionen. …
„Da die staatliche Handlungsfähigkeit besonders unter der Konsolidierung litt, ist es nur folgerichtig, wenn sie im Überschuss nicht wieder so wächst, wie von der progressiven Konsolidierungsthese prognostiziert.“ … (S. 263/264)
Das ist „des Pudels Kern“ (im wahrsten Sinne des Goethe-Zitats aus „Faust. I“): Überschüsse erwirtschaften bedeutet Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten! Es werden also Ausgaben gekürzt (Handlungsfreiheit eingeschränkt) und dann, wenn Überschüsse erzielt werden, nicht wieder zurückverteilt, sondern schlicht neu verteilt.
Das ist die Erfüllung des Gegenteils der Versprechung der schwarzen Null!
Bevor ich es vergesse:
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Die Anomymität im Internet ist aufzuheben!
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Einzelnachweise
⇧1 | hier zum Buch (2016), 146 schlanke Seiten, sehr gut lesbar, hier zum PDF mit dem Titel „Freiheit von Schulden – Freiheit zum Gestalten? Die Politische Ökonomie von Haushaltsüberschüssen“ (2015), ausführliche 336 Seiten |
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⇧2 | erneut gehend die Belege und Zitate bis 18 Jh. zurück |
⇧3 | ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Oma Erna bekommt mehr Gestaltungsfreiheit für ihr Sparschwein … oder der dickste Fisch im Teich bekommt noch mehr zu fressen(!?) |
⇧4 | die 0 ist ja kein Selbstzweck … oder etwa doch? Nur „Politmarketig“? Hm? |
⇧5 | hiermit ist gemeint, dass der Staat durch Haushaltsüberschüsse mehr Gestaltungsspielraum bekommt und nutzt, s. S. 18/19 im PDF |
⇧6 | müsste man Kredite aufnehmen für Investitionen, bspw. die Leverkusener Rheinbrücke, könnte man ja auch sagen: „Schulden aufnehmen für eine neue Brücke? Nö! Diese Schulden müssten ja unsere Kinder tragen! Sollen doch sie sehen, wie sie über den Rhein kommen!“ Das ist natürlich Unsinn! |
⇧7 | einem Sparzwang folgen heißt: Man wird getrieben/lässt sich treiben! Das ist keine Politik! |