Bei abschließender Recherche ist aufgefallen, dass ein letzter Punkt der häufig in Wirtschaftsnachrichten erwähnt wird – die „Inflationserwartungen“ – bisher nicht gewürdigt wurde. Das wird hier nachgeholt.

In einem Arbeitspapier der FEDS (Finance and Economics Discussion Series, Abt. bei der Fed – PDF, englisch) wird zu erst darauf hingewiesen, dass es sich um ein Papier zur
… Anregung von Diskussionen und kritischen Kommentaren. …
handelt. Das ist wohl sehr bescheiden, denn die Logik der Argumente, die Fülle der angeführten Belege, lässt MYTHOS dieses Papier für sehr aussagekräftig halten!1)ausdrücklich: auch ohne letzte Detailkenntis, die Befunde in dem Arbeitspapier passen in den gesamten Rahmen, der kritisch zu sehen ist, weil nicht genug hinterfragt und diskutiert wird: Die VWL ist wohl mehr Religion, Ideologie als alles andere! Ausdrücklich soll hier nochmals festgehalten werden, dass es sich bei diesem Arbeitspapier nicht um eine komplette Analyse handelt, sondern um eine Vorlage zur Diskussion und Kommentierung.
Die in der Überschrift gestellte Frage:
Warum glauben wir, dass Inflationserwartungen für die Inflation von Bedeutung sind? (Und sollten wir das?)
lässt sich nmM klar beantworten: Nein! Denn Erwartungen sind (soziologisch)
… die Annahme eines Handelnden darüber, was ein anderer oder mehrere andere tun würden (antizipatorische Erwartung), zum anderen auch das, was er oder andere billigerweise tun sollten (normative Erwartung)
oder (psychologisch)
… die Annahme oder Antizipation eines zukünftigen Ereignisses. Die damit verbundene subjektive Wahrscheinlichkeit kann dabei graduell verschieden sein
und nicht mehr!
Wie hoch also ist die Bedeutung von Erwartungen in Bezug auf konkrete, zukünftige Ereignisse – hier die „Infaltionserwartung„, also die Erwartung, wie sich die Infaltion entwickeln wird – einzuschätzen? Das mag jeder für sich selbst entscheiden. Merke: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen!“ (zu geschrieben: Karl Valentin, Niels Bohr oder Mark Twain).2)wenn ich mir die Prognosen (Erwartungen) des sog. „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ (SVR – diese „Gutachten“ sind seit ~ 50 Jahren(!) immer äußerst kritisch zu betrachten), der Regierung, der „Experten“ so ansehe: Damit kann man nicht ernsthaft arbeiten wollen! Aber man hat ja nix anderes … 🙁
Mein Fazit: Die Bedeutung von Inflationserwartung? Nichts als mystisches Geraune, nur ein weiterer Versuch, die Menschen „hinter die Fichte zu schicken“ und den Experten einen Heldenstatus zu verleihen.
Hinweis: Auch die NachDenkSeiten bietet unter der Überschrift Leitzinserhöhung zur Inflationsbekämpfung? Was für eine Schnapsidee einen guten, deckungsgleichen, gut lesbaren Beitrag über „die Sache mit der Inflation/Leitzinserhöhung.“ Lesenswert!
MYTHOS beschränkt sich hier (um dem Hinweis im Paper Rechnung zu tragen „to protect the tentative character of these papers.“) nur auf die Einführung und die voran gestellte Zusammenfassung zum Thema: „Warum glauben wir, dass Inflationserwartungen für die Inflation von Bedeutung sind? (Und sollten wir das?)“
Hierzu schreibt der Autor – und nennt wichtige Belege für seine Argumentation:
Die Mainstream-Ökonomie ist voll von Ideen, von denen „jeder weiß“, dass sie wahr sind, die aber in Wirklichkeit völliger Unsinn sind. Zum Beispiel weiß „jeder“3)das ist kein Wissen, das ist Erzählung, (Narration) , sonst nichts, und so meint J. Rudd das auch: Ironisch!, dass: …
und erwähnt drei zentrale Thesen der VWL, die im Zusammenhang mit Inflation/ und –erwartungen4)1. aggregierte Produktionsfunktionen charackterisieren die Angebotsseite, 2. notwendige Preisanpassungen über lange Zeit bringen Markträumung, 3. die Haushalte haben die Wahlmöglichkeit – was immer das für einen normal gebildeten Menschen bedeuten mag– s. hierzu im englischen Original, Übersetzung liegt vor; siehe auch hier: Rationale Erwartung *ächz* angeblich von Bedeutung sind (aber das kennen wir schon von anderen Themen, nichts als „Ächtzpertenwissen“) und führt weiter aus:
… Keine dieser Thesen hat irgendeine empirische Grundlage; darüber hinaus erweist sich jede von ihnen aus theoretischen Gründen als ernsthaft mangelhaft. Dennoch stützen sich Wirtschaftswissenschaftler weiterhin auf diese und ähnliche Ideen, um ihr Denken über reale wirtschaftliche Phänomene zu organisieren. Ein Grund dafür ist zweifellos, dass die Wirtschaft ein kompliziertes System ist, das von Natur aus schwer zu verstehen ist, so dass Sätze wie diese – auch wenn sie falsch sind – alles sind, was uns vor intellektuellem Nihilismus bewahrt. Ein anderer, prosaischerer Grund ist Stiglers (1982) ebenso nihilistische Feststellung, dass „es eine Theorie braucht, um eine Theorie zu schlagen“.
Ist dieser Zustand jemals schädlich oder gefährlich? Ein natürlicher Grund zur Sorge ist, wenn zweifelhafte, aber weit verbreitete Ideen als Grundlage für folgenreiche politische Entscheidungen dienen. In dieser Notiz untersuche ich eine solche Vorstellung, nämlich die, dass die erwartete Inflation eine wichtige Determinante der tatsächlichen Inflation ist. Viele Ökonomen betrachten die Inflationserwartungen als zentral für den Inflationsprozess; in ähnlicher Weise betrachten viele Zentralbanken die „Verankerung“ oder „Steuerung“ der Inflationserwartungen der Öffentlichkeit als ein wichtiges politisches Ziel oder Instrument. Hier argumentiere ich, dass die Verwendung von Inflationserwartungen zur Erklärung der beobachteten Inflationsdynamik unnötig und unsolide ist: unnötig, weil es eine alternative Erklärung gibt die ebenso plausibel, wenn nicht sogar noch plausibler ist, und unsolide, weil die Berufung auf einen Erwartungskanal keine zwingende theoretische oder empirische Grundlage hat und potenziell zu schwerwiegenden politischen Fehlern führen könnte.“
Das ist, in meinen Augen, bereits der springende Punkt! Wie Jeremy Rudd eingangs in der Zusammenfassung feststellt [Hervorhebung HHö]:
Abstrakt:
Wirtschaftswissenschaftler und wirtschaftspolitische Entscheidungsträger sind der Ansicht, dass die Erwartungen der Haushalte und Unternehmen in Bezug auf die künftige Inflation eine wichtige Determinante der tatsächlichen Inflation sind. Ein Überblick über die einschlägige theoretische und empirische Literatur legt nahe, dass diese Annahme auf äußerst wackeligen Beinen steht, und es wird argumentiert, dass ein unkritisches Festhalten an ihr leicht zu schwerwiegenden politischen Fehlern führen könnte.
Dem ist nichts weiter hinzuzufügen!
Nun noch zur (1) USA und (2) zur Fed. Beide sind in einer anderen Situation(!) als D, die EU oder die EZB:
(1) 1. Einerseits hat die Regierung der USA die Binnenkonjunktur nach Trump und Corona-Krise extrem angefeuert; ein Inflationsimpuls von der Nachfrageseite5)die allgemeinen Effekte spielen sicher die größere Rolle: Preissteigerungen im Gefolge der internationalen Turbulenzen, Spekulation, gerissene Lieferketten usw. ist wohl gegeben. Wie groß der externe Einfluss auf die Inflation in den USA ist, kann man nur sehr schlecht abschätzen, er spielt in keinem Fall eine so große Rolle wie außerhalb(!) der USA – außerhalb der USA haben wir hauptsächlich eine energiepreisgetriebene Inflation.
(1) 2. Andererseits ist die USA nicht nur energieunabhängig – mittlerweile sind sie der größte LNG-Exporteur (2021) mit 13,9 bcf/d bzw. (143 bcm/Jahr)6)bcf = billion cubic feet, bcm = billion cubic meters vor Australien 11,4 bcf/d (117 bcm/Jahr) und Katar 10,4 bcf/d (107 bcm/Jahr) und gehört auch bei den Erdöl- und Kohleförderern und –Exporteuren zu den Top 3 der Welt.
Deshalb …
(2) hat die Fed es mit einer gut laufenden Konjunktur plus Inflation zu tun und die Fed kann „das altbewährte Mittel“ der Zinserhöhung anwenden nach dem Motto: „Krank? Aspirin!“. Nun ist es so, dass „das beste Mittel gegen hohe Preise, hohe Preise ist“ – dann lässt die Nachfrage ganz von selbst – und allmählich – nach, die Inflation läuft langsam aus. Zinserhöhungen führen nur zum Abwürgen der Konjunktur(!), zur Rezession, man macht Millionen Menschen arbeitslos und lässt den „Kleinen Mann“ für die Inflation zahlen (s. Volcker-Schock als abschreckendes Beispiel!):
Wer die Folgen des Volcker-Schocks aufzählt – Fabrikschließungen, Demoralisierung der Gewerkschaften, schwindelerregende Finanzialisierung der Wirtschaft –, beschreibt die Turbulenzen, die in den USA noch 2019 spürbar sind.
Operation gelungen – Patient tot! *facepalm* Die Anwendung der „alten Folter“ (Zinserhöhung) ist deshalb grundsätzlich falsch, für die Fed jedoch möglich. Die Zinserhöhung hilft nur dem Kapital und schadet den Menschen!(!!)
Unser Fazit bleibt: Was uns Politiker und „Experten“ zur Inflation und zur „Inflationsbekämpfung“ erzählen ist geeignet einen Misthaufen zu beleidigen!
PS.: Jerome Powell, Chairman of the Fed, aktuell, 22.09.22, nach der gestrigen Zinserhöhung „sichtlich bewegt“ (sinngemäß und auf deutsch):
„Die Menschen leiden wirklich unter der Inflation … wir werden kämpfen bis der Job gemacht ist!“ Vergessen hat er zu sagen: “ … und werden eine satte Rezession herbeiführen, … wir können nix anderes … ihr braucht euch keine Hoffnung machen, viele von euch verlieren ihren Job! „
s. auch hier: Claudia Sahm (frühere Ökonomin bei der Fed) wird zitiert, 08.07.2022:
Zu viel Nachfrage und zu wenig Angebot sind im Grunde die Ursachen der Inflation. Es ist zweifelsohne besser, sie mit mehr Angebot zu lösen. Das ist weniger schmerzhaft für Menschen und Unternehmen. Wir zahlen den Preis für unzureichende Investitionen aufgrund der Kurzsichtigkeit der Aktionäre und der Dysfunktion der Regierungen.
Hoi, was für eine Idee: Statt die Nachfrage zum Angebot hin zu kappen, das Angebot zur Nachfrage hin entwickeln, mit einem Wort: Investieren!! (das Zitat findet sich ganz unten im verlinkten Beitrag)
Bevor ich es vergesse:
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Die Anonymität im Internet ist aufzuheben!
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Einzelnachweise[+]
⇧1 | ausdrücklich: auch ohne letzte Detailkenntis, die Befunde in dem Arbeitspapier passen in den gesamten Rahmen, der kritisch zu sehen ist, weil nicht genug hinterfragt und diskutiert wird: Die VWL ist wohl mehr Religion, Ideologie als alles andere! Ausdrücklich soll hier nochmals festgehalten werden, dass es sich bei diesem Arbeitspapier nicht um eine komplette Analyse handelt, sondern um eine Vorlage zur Diskussion und Kommentierung. |
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⇧2 | wenn ich mir die Prognosen (Erwartungen) des sog. „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ (SVR – diese „Gutachten“ sind seit ~ 50 Jahren(!) immer äußerst kritisch zu betrachten), der Regierung, der „Experten“ so ansehe: Damit kann man nicht ernsthaft arbeiten wollen! Aber man hat ja nix anderes … 🙁 |
⇧3 | das ist kein Wissen, das ist Erzählung, (Narration) , sonst nichts, und so meint J. Rudd das auch: Ironisch! |
⇧4 | 1. aggregierte Produktionsfunktionen charackterisieren die Angebotsseite, 2. notwendige Preisanpassungen über lange Zeit bringen Markträumung, 3. die Haushalte haben die Wahlmöglichkeit – was immer das für einen normal gebildeten Menschen bedeuten mag– s. hierzu im englischen Original, Übersetzung liegt vor; siehe auch hier: Rationale Erwartung *ächz* |
⇧5 | die allgemeinen Effekte spielen sicher die größere Rolle: Preissteigerungen im Gefolge der internationalen Turbulenzen, Spekulation, gerissene Lieferketten usw. |
⇧6 | bcf = billion cubic feet, bcm = billion cubic meters |