Neues(!) zur Inflation – Teil 3

Keine Angst, das ! markiert noch nicht das Ende der Serie. Es hat deshalb das ? heute abgelöst, weil sich einiges im Vergleich zum gängigen Inflations-Narrativ ganz gewaltig in der Perspektive verschiebt.

„Das globale Guthabenmonster“

Die große Umverteilung läuft. Schuld daran ist nicht die Geldschwemme der Notenbanken, sondern der Ozean der Guthaben.
Aus Geld wird Geld … und mehr Geld … und mehr Geld … Inflation? – Pixabay

So titelt und schreibt Werner Vontobel am 3. August 2022 auf MAKROSKOP:

„Notenbanken enteignen Sparer und machen Reiche zu Superreichen“, mit dieser Schlagzeile brachte das Schweizer Portal Infosperber kürzlich das auf den Punkt, was heute viele schreiben und denken. Die Stichwörter heißen „Geldschwemme“ und „fluten mit Geld“. So schreibt etwa der Spiegel: „Um sie (die Deflation Red.) zu verhindern, fluteten die Notenbanken in Europa und Nordamerika ihre Volkswirtschaften mit frisch geschaffenen Euros, Dollars und Pfund. Sie drückten die Leitzinsen auf null oder darunter und kauften massenhaft Staatsanleihen an. Die Geldschwemme legte das Fundament für die gegenwärtigen Preissteigerungen.“

Und weiter (Hervorhebungen HHö):

Doch was oft gesagt wird, wird deshalb nicht zwingend richtiger. Die Story [über die] von den Zentralbanken geschaffenen „Geldschwemme“ und der „Enteignung“ der kleinen Sparer hat ein paar entscheidende Schwachpunkte. Es fängt damit an, dass der „kleine“ Sparer praktisch kein Vermögen besitzt, das durch die Inflation entwertet werden könnte. Gemäß der Schweizer Vermögensstatistik [Vontobel schreibt aus schweizer Sicht] haben 23,6 Prozent der Steuerpflichtigen gar kein Reinvermögen und weitere 31 Prozent besitzen im Schnitt keine 20.000 Franken. Die Verhältnisse in Deutschland dürften ähnlich sein.

Da ist nichts, was entwertet werden könnte

Nicht nur in Deutschland, auch in der reichen Schweiz kann ein bedeutender Teil der Haushalte kaum oder keine Ersparnisse aufbauen … So lebt etwa das ärmste Fünftel aller Haushalte (jung und alt) zu rund 60 Prozent (des Bruttoeinkommens) von staatlichen Sozialleistungen … Auf der anderen Seite kann das reichste Fünftel gut einen Drittel seines Bruttoeinkommens von 19.000 Franken auf die hohe Kante legen.

In der Statistik der steuerbaren Reinvermögen wird dieses Missverhältnis erst recht deutlich. Danach besitzen die reichsten 6 Prozent der Steuerzahler fast 70 Prozent des Gesamtvermögens, während auf die ärmsten 63 Prozent gerade mal 2,3 Prozent entfallen.

„Um 2000 Milliarden Franken sind die Vermögen in nur 10 Jahren gewachsen“

Diese Zahlen muss man natürlich mit Vorsicht genießen: Der Fiskus weiß nicht alles. Viele Vermögen werden gar nicht erfasst und Immobilien viel zu tief bewertet. … Die Superreichen kommen darin praktisch nicht vor. Doch das Grundmuster ist klar: Ein kleiner Teil der Haushalte häuft ständig Guthaben an. Das zeigt sich auch in der einschlägigen Statistik der Nationalbank, wonach die Vermögen der privaten Haushalte innerhalb von nur zehn Jahren um fast 2000 Milliarden oder mehr als 50 Prozent angestiegen sind – drei Mal so schnell wie das Bruttoinlandsprodukt.

Was hat nun dieser stetig steigende Berg von Guthaben mit der von den Zentralbanken verursachten „Geldschwemme“ zu tun? Nun, die Kehrseite jeden Guthabens ist eine entsprechende Schuld. Wer die Guthaben anhäuft, … sind die reichsten 6 bis 20 Prozent der Haushalte, die wiederum die Besitzer der großen Unternehmen sind. Die entsprechenden Schuldner sind aber nicht die armen (und deshalb nicht kreditwürdigen) Haushalte. An Ihrer Stelle versschuldet sich der Staat.

Quelle: OECD via MAKROSKOP (Zitat aus dieser Quelle)1)alle einschlägigen Statistiken zeigen es: Der Staat – und das Ausland (siehe Deutschland, Exportnation: Ausland als zweiter Schuldner!) – ist der einzige Schuldner, die Unternhemen (die angeblich das Geld der Sparer aufnehmen) sind seit Jahren Nettosparer – s. Grafik hier, bitte runterscrollen bis Abb. 10, die Gesamtschau für D seit 1950 bis 2017 zeigt es deutlich; wem die Gesamtschau zu unübersichtlich erscheint, bitte Pfeile am Rand der Grafik nutzen, um die einzelnen 10-Jahres-Grafiken aufrufen:

Wie man in der Grafik eindrucksvoll sieht, schnellt die Kurve (Rot) der privaten Unternehmen nach 2009 steil in die Höhe und erreicht fast 5% des Bruttosozialproduktes. Private Haushalte und Unternehmen entziehen der Volkswirtschaft damit zusammen etwa 10% der Gesamtnachfrage. Ein Nachfrageausfall, den der Staat kompensieren muss.

Aber (weiter mit Vontobel):

Ohne Neuverschuldung kein Wachstum
… Wachstumskritiker wie Urs Gasche und Hanspeter Guggenbühl übertreiben deshalb nicht, wenn sie feststellen: „Ohne die massive Staatsverschuldung“, würde die Wirtschaft in vielen Industriestaaten schon seit langem nicht mehr wachsen“.

Stimmt. Rein rechnerisch wäre das BIP der Industriestaaten ohne die zusätzliche Verschuldung sogar geschrumpft. Doch das wäre nur dann erstrebenswert gewesen, wenn die Staaten mit ihren Schulden überwiegend unnötige Dinge finanziert hätten.

Verschwendung ist vor allem Privatsache
Unnötiges wird aber vor allem privat bezahlt. Kein Wunder: Rund die Hälfte der privaten Markteinkommen geht an das Fünftel der Haushalte, die ohnehin schon alles hat. So kommt es, dass am 25. Juli in Zürich eine Voiture noire von Bugatti [Link] im Wert von 17 Millionen Franken gesichtet, oder in den USA ein WM-Gürtel von Muhammed Ali für 6 Millionen Dollar ersteigert wurde. Das erklärt auch, warum die Firma On in der Schweiz Turnschuhe für 270 Franken verkaufen kann und die fünf Spitzenmanager laut Sonntagszeitung letztes Jahr zusammen 83 Millionen Franken kassiert haben. Verschwendung und unnötiges Wachstum ist vor allem eine private Angelegenheit.

Der Staat hingegen hat mit seinen Schulden die Infrastruktur unterhalten und teils ausgebaut, hat Arbeitslosengelder und Sozialhilfe bezahlt, Schulen und Krankenhäuser finanziert und seit 2020 mit seinen Ausgaben die Corona-Krise bewältigt oder es zumindest versucht. In dieser Zeit sind denn auch die Bilanzsummen der Zentralbanken stark gewachsen. Allein die EZB und die Fed in den USA haben zusammen die Märkte mit (umgerechnet) rund 9000 Milliarden Dollar „geflutet“.  Im Wesentlichen sind dabei Staatsanleihen gegen sofort fällige Guthaben gegenüber den Zentralbanken getauscht worden.

1540 Billionen – der Ozean der Guthaben
Bei Lichte betrachtet sind die Zentralbanken in dieser Story nicht Täter, sondern Opfer oder allenfalls Mitläufer. McKinsey schätzt den Marktwert der globalen Guthaben (inklusive Immobilien) auf 1540 Billionen Dollar. [in Worten: eintausendfünfhundertvierzig Billionen Guthaben – da muss Oma aber lange sparen!] …

… Das wahre Problem ist [also] nicht die Schwemme des Notenbankgelds, sondern der Ozean von Guthaben. 1540 Billionen! Das ist rund das 15fache des globalen BIP und das Sechsfache des realen Kapitalstocks wie Bauten oder Maschinen.2)Achtung: Die kumulierten Guthaben entsprechen dem 15-fachen des gobalen BIP und dem 6-fachen des realen Kapitalstocks! Darauf einen Asbach Uralt! *Prost_Hicks*

Dass diese Guthaben so hoch bewertet werden, hat einen simplen Grund: Macht! Ihre Besitzer können damit rechnen und dafür sorgen, dass die Schuldner auch weiterhin hohe Zinsen und die Mieter hohe Mieten bezahlen, dass tiefe Löhne weiterhin hohe Gewinne ermöglichen und dass die Drohung mit der Abwanderung die Staaten auch in Zukunft davon abhält, die hohen Einkommen angemessen zu besteuern. Die Guthaben sind bloß so viel wert, wie die Macht, die dahintersteckt.

Das hat natürlich sehr viel mit den globalen Wertschöpfungsketten zu tun, Stichworte: An allen Ecken und Enden werden Kapitalerträge abgesaugt3)Fachbegriff: Rente, Zitat: „Die Rente ist in der Wirtschaft ein regelmäßiges Einkommen, das ohne unmittelbare Gegenleistung erzielt wird.[Hervorhebung HHö], im armen Teil der Welt wird gegen Hungerlöhne produziert – Beispiel hier und hier (Hurra! Der Mindestlohn steigt von 9 UScent auf 31 UScent … auch ein „gutes“ Beispiel für „unsere Werte“), im reichen Teil der Welt wird gegen teures Geld verkauft und via Steueroasen werden anfallende Steuern drastisch reduziert, Beispiel hier: 1209 North Orange Street in Wilmington, Delaware, USA – in dieser kleinen Butze haben mehr als 285.000(!) Firmen ihren Sitz. Die USA, eine der größten Steuervermeidungsanstalten der Welt!! Nb.: Und wer war von 1973 bis 2009 Senator von Delaware? Tipp: Fängt mit Joe an …

Noch ein paar letzte Zeilen von Werner Vontobel:

Vage Hoffnung auf den heilenden Schock
Denkbar wäre aber auch ein heilender Schock: Wenn die Staaten wissen, dass sie ihre Ausgaben nicht mehr via Zentralbanken finanzieren können, bliebe nur noch ein Ausweg: Steuerwettbewerb beenden, Steuern massiv erhöhen. Auch höhere Mindestlöhne und milderer Patentschutz könnte helfen, die Guthabenmaschinerie zu bremsen und die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Ein global ausgehandelter Schuldenerlass – und eine entsprechende Enteignung der Gläubiger könnte diesen Prozess beschleunigen.

All das könnten wir allerdings auch jetzt schon tun. Dazu müssten wir nicht erst unser Geldsystem reformieren.  

Auch Norbert Häring hat hier einiges dazu zu sagen, das kriegen wir in Teil 3-2!

Bevor ich es vergesse:

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Die Anonymität im Internet ist aufzuheben!

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Einzelnachweise

Einzelnachweise
1 alle einschlägigen Statistiken zeigen es: Der Staat – und das Ausland (siehe Deutschland, Exportnation: Ausland als zweiter Schuldner!) – ist der einzige Schuldner, die Unternhemen (die angeblich das Geld der Sparer aufnehmen) sind seit Jahren Nettosparer – s. Grafik hier, bitte runterscrollen bis Abb. 10, die Gesamtschau für D seit 1950 bis 2017 zeigt es deutlich; wem die Gesamtschau zu unübersichtlich erscheint, bitte Pfeile am Rand der Grafik nutzen, um die einzelnen 10-Jahres-Grafiken aufrufen
2 Achtung: Die kumulierten Guthaben entsprechen dem 15-fachen des gobalen BIP und dem 6-fachen des realen Kapitalstocks! Darauf einen Asbach Uralt! *Prost_Hicks*
3 Fachbegriff: Rente, Zitat: „Die Rente ist in der Wirtschaft ein regelmäßiges Einkommen, das ohne unmittelbare Gegenleistung erzielt wird.[Hervorhebung HHö]

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