Der Staat soll sich um das Ganze kümmern – Teil 6

Wir fahren weiter fort mit Abba Lerners „Funktionelle Finanzierung“, Punkt 3. Erreichung von Vollbeschäftigung.

Die Verantwortung für Arbeitslosigkeit wird häufig den Einzelpersonen zugeschrieben. Doch spätestens die Corona-Krise sollte gezeigt haben: unfreiwillige Arbeitslosigkeit ist vor allem ein makroökonomisches und kein individuelles Problem.1)als Beispiel Warren Buffet, wie er selbst (sinngemäß) sagt: „Ich wäre allein mit meinen Talenten „irgendwo im Busch“ nicht so erfolgreich geworden, nur innerhalb einer entwickelten Wirtschaft konnte dieses möglich werden“; es liegt also nicht, weder allein noch überwiegend, an der Eigenverantwortung

Geld, Bimbes, Kohle: Erst sparen, dann investieren? – Nattanan Kanchanaprat, Pixabay.com

So formuliert der blog politische ökonomie (bpö) und die Coronakrise legt es offen: Man kann die Verantwortung für Arbeitsplätze und Vollbeschäftigung nicht den sog. „freien Kräften des Marktes“ überlassen, der Arbeitsmarkt ist kein Kartoffelmarkt: Hohe Nachfrage = hohe Preise (Löhne/Einkommen), hoher Beschäftigungsstand – niedrige Nachfrage = niedrige Preise (Löhne/Einkommen), niedriger Beschäftigungsstand. Dahinter stecken menschliche Existenzen, soziale Kontakte, soziale Teilhabe, dahinter steckt das Funktionieren einer ganzen Gesellschaft.

Wenn uns Politiker Gedanken in die Kopf setzen wie „Die Regierung ist nicht die Lösung unseres Problems. Sie ist das Problem.“ (Ronald Reagan) oder „So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht.“ (Margaret Thatcher)2)hier die Originalzitate: „In this present crisis, government is not the solution to our problem, government is the problem.“  (Reagan) und  And, you know, there’s no such thing as society. There are individual men and women and there are families. And no government can do anything except through people, and people must look after themselves first. It is our duty to look after ourselves and then, also, to look after our neighbours. (Thatcher); Anmerkung: Mit Zitaten von „berühmten“ Menschen ist das so eine Sache: Sie werden leider um eines Effekts willen häufig schlecht übersetzt, verkürzt und/oder aus dem Zusammenhang gerissen; man muss sich damit beschäftigen, will man einen Wert in den Zitaten erkennen, dann ist das nur ein populistischer Beleg für falsches Verständnis von Ökonomie!

Die Gegenwart zeigt das Problem überdeutlich: Wenn der Staat in der Coronakrise Arbeit begrenzen und regulieren kann (wohlgemerkt: aus dem übergeordneten Interesse des allgemeinen Gesundheitsschutzes), dann ist auch das Gegenteil möglich!

Schauen wir auf die andere Seite der Medaille: Wie reagieren denn die „freien Krafte“ auf Krisen wie Corona? Mit dem Ruf nach Senkung von Arbeitskosten (Löhnen, Steuern, Umweltauflagen …) mit Entlassungen … Zum x-ten Mal: Die Senkung von Einkommen/Löhnen („sparen“ – besser: die nicht ausreichende Erhöhung, siehe Goldene Lohnregel) ist kontraproduktiv zu einer positiven Entwicklung der Wirtschaft! Ist das jetzt endlich klar??

Der Mythos von den nur positiven Wirkungen der „freien Kräften des Marktes“ findet erneut seine Widerlegung! Eine staatliche Jobgarantie muss entwickelt und eingeführt werden.

So wie das bisher – und in dem vorigen Beitrag – beschrieben wurde, spricht viel Logik für eine staatliche Jobgarantie. Warum gibt es diese nicht, wie wird dagegen argumentiert?

Vorabbemerkung: Natürlich fürchten sich vor allem die Vertreter der Mainstream-Ökonomie und der freien Kräfte des Marktes, des freien Unternehmertums, davor, dass ihnen mit der Vollbeschäftigung der Knüppel der Arbeitslosigkeit zur Disziplinierung von Lohnforderungen aus der Hand genommen werden könnte. Davor kann man sich aber nur fürchten, wenn man Partikularinteresse vor allgemeines Interesse stellt – und immer wieder außer Acht lässt, dass eigene Interessen am besten gewahrt werden können durch Wahrung der Interessen aller! Nach meiner Meinung gründet das Problem aber noch tiefer (Achtung: Sarkasmus): Überträgt man sein Eigenbild auf den anderen, und dieses Eigenbild würde sich darstellen ähnlich wie: „Ich will das größere Stück vom Kuchen, weil …“ (eine beliebige Begründung findet sich immer, das gilt für beide Seiten), dann kann man natürlich zu einer Einschätzung kommen, die Helmut Qualtinger einmal unübertrefflich so formuliert hat: „I trau‘ dena nöd, i kenn‘ mi!“ („Ich trauen denen nicht, ich kenne mich!“)3)man kann es nicht oft genug wiederholen: Ohne Staat, ohne Regeln, kein Markt, erst recht kein „freier Markt“; nur wenn es allen anderen gut geht, kann es mir gut gehen – denn die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen

Damit es nicht zu umfangreich wird wollen wir uns heute nur über ein häufiges Gegenargument Klarheit verschaffen:

Wie bereits erwähnt, haben Kritiker argumentiert, dass das Programm so groß werden könnte, dass es nicht mehr zu bewältigen wäre. Die Zentralregierung hätte Schwierigkeiten, den Überblick über alle Programmteilnehmer zu behalten und sicherzustellen, dass diese mit sinnvollen Projekten beschäftigt sind. Schlimmer noch, Korruption könnte zu einem Problem werden, da die Projektmanager Gelder veruntreuen würden.

Zitat von hier

Abgesehen von einem Denkfehler – ein Widerspruch in sich selbst weil es nicht so sein kann, wenn es funktioniert – folgt dieses Argument dem Klassiker: „Der Staat kann das nicht, er ist unfähig!“ Natürlich müssen der staatlichen Jobgarantie entsprechende Gesetzte, Regeln und Kontrollen unterlegt werden – und es muss guter Wille vorhanden sein. Vorurteile sind da nicht hilfreich.

Aber warum widerspricht das Argument sich selbst, worin liegt der Denkfehler?

Nun, wenn man davon ausgeht, dass alle Beteiligten (Wirtschaft und Staat) „ihren Job machen“ , dann fängt die Job-garantie die aus verschiedenen Gründen verbleibende Unter- bzw. Nichtbeschäftigung auf und sorgt für auskömmliches Einkommen in diesem Bereich (und erhöht nebenbei die Einnahmen der gesetzlichen Sozialversicherungen). Das stärkt die Nachfrage und die Wirtschaft, was wiederum für Nachfrage nach Arbeitskräften in der privaten Wirtschaft sorgt. Dann wechseln die Arbeitnehmer aus der Jobgarantie in einen „normalen“ Job in der privaten Wirtschaft – wenn diese ein ordentliches Angebot macht in puncto Arbeitsbedingungen und Lohn. Nur in einer Krisenzeit, könnten u. U. diese automatische Selbstregulierung nicht vollständig greifen, das Programm könnte dann an Umfang zunehmen. Dafür muss mit qualifizierter Organisation (Gesetzte, Regeln, Personal, Kontrolle und Finanzierung(!) Rechnung getragen werden.

Den Kosten und Mühen einer staatlichen Jobgarantie steht ersichtlich mehr Ertrag gegenüber als dem bisherigen System – das ebenfalls Kosten und Mühen verursacht und ggf. nebenher weitergeführt werden kann, falls notwendig in angepasster Form –, denn was ist die Alternative?

Millionen Abgehängte und willkürlich Ausgegrenzte, soziales Prekariat, Spaltung der Gesellschaft. Wem nutzt das? Aus Höflichkeit lass‘ ich die Antwort weg, die kann sich jeder selbst ausdenken!

Am nächsten Freitag werden noch einige Punkte zur Jobgarantie aufgegriffen werden.

Einzelnachweise

Einzelnachweise
1 als Beispiel Warren Buffet, wie er selbst (sinngemäß) sagt: „Ich wäre allein mit meinen Talenten „irgendwo im Busch“ nicht so erfolgreich geworden, nur innerhalb einer entwickelten Wirtschaft konnte dieses möglich werden“; es liegt also nicht, weder allein noch überwiegend, an der Eigenverantwortung
2 hier die Originalzitate: „In this present crisis, government is not the solution to our problem, government is the problem.“  (Reagan) und  And, you know, there’s no such thing as society. There are individual men and women and there are families. And no government can do anything except through people, and people must look after themselves first. It is our duty to look after ourselves and then, also, to look after our neighbours. (Thatcher); Anmerkung: Mit Zitaten von „berühmten“ Menschen ist das so eine Sache: Sie werden leider um eines Effekts willen häufig schlecht übersetzt, verkürzt und/oder aus dem Zusammenhang gerissen; man muss sich damit beschäftigen, will man einen Wert in den Zitaten erkennen
3 man kann es nicht oft genug wiederholen: Ohne Staat, ohne Regeln, kein Markt, erst recht kein „freier Markt“; nur wenn es allen anderen gut geht, kann es mir gut gehen – denn die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen

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