Willst Du etwas Neues wissen …

… schlag in alten Büchern nach – das ist hier auf MYTHOS fast schon ein Allgemeinplatz!

Die immer wieder aktuelle Botschaft: Alte Bücher, neues Wissen! Gellinger – Pixabay.com

Aus }getabstract zu Karl Polanyis The Great Transformation (1944):

Frühes Plädoyer gegen Wirtschaftsliberalismus

Als im Zuge der Finanzkrise von 2008 vermehrt die entfesselte Globalisierung und die verselbstständigten Finanzmärkte in die Kritik gerieten, waren plötzlich die Thesen des österreichisch-ungarischen Wirtschaftshistorikers und Soziologen Karl Polanyi wieder aktuell. 

… Die Idee eines sich selbst regulierenden Marktes ist für ihn notwendig zum Scheitern verurteilt, da sie nur zur völligen Ausbeutung von Mensch und Natur sowie zur Zerstörung von Demokratie und Freiheit führe. 

Quelle

Das Buch läuft auch im Deutschen unter dem englischen Titel aber keine Angst, der Text ist deutsch und sehr gut lesbar; eine klare Leseempfehlung für jeden der sich etwas für Ökonomie interessiert.

Ob der Club of Rome 1972 die Idee von den Grenzen des Wachstums bei Polanyi gefunden hat? Sicher nicht. Dass der ungezügelte Kapitalismus für unreguliertes wirtschaften („Waxxthum„) einen unbezahlbaren Preis verlangt wusste dieser aber schon 28 Jahre früher.

Was passiert, wenn man die Dinge weitgehend unreguliert laufen lässt (und wenn man dann noch den Staat schlecht redet, ins Abseits stellt und vergisst, dass Markt/Wirtschaft den Staat – Regeln und Aufsicht – voraussetzt) ist heute überall zu besichtigen. Zu lesen ist darüber schon lange …

Der Gedanke, die (Mainstream)Ökonomen würden einen Beitrag leisten zur Lösung der Probleme heute, ist nichts als ein Mythos. Sie sind selbstreferenzierende Ideologen, Motto: „Kollege, nennst du mich Goethe, nenne ich dich Schiller!“, schwadronieren über „irgendwas 4.0“, Digitalisierung, KI (künstliche Intelligenz – der beste Text den ich zum Thema kenne, mittlerweile auf 11 Folgen angewachsen) und so’n Zeug während sie noch immer in einer Art höheren Tauschhandels („Geld ist nur ein Schmiermittel“) gefangen sind.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Nicht nur die Guten 😉 werden in alten Büchern fündig – auch der Mainstream bedient sich dort – und es gibt auch wichtige, neue Bücher. Wenn man schon liest, dann kommt es natürlich einerseits darauf an, die Zusammenhänge und die Zeit, in der das Werk steht bzw. verfasst wurde zu würdigen; andererseits ist es genauso wichtig, ob der Leser offen ist und neues Wissen sucht – oder Bestätigung für seine Thesen.

Zwei Beispiele zu Adam Smiths „unsichtbarer Hand“ (invisible hand):

… [der einzelne Marktteilnehmer] wird in diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er keineswegs in keiner Weise beabsichtigt hat.
Quelle: dtv, Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1978, S. 371

Kein einzelner Marktteilnehmer strebt direkt danach das Gemeinwohl zu maximieren; jeder will nur seinen Güterbedarf decken. Und doch führe der Marktmechanismus durch seine unsichtbare Hand zum volkswirtschaftlichen Optimum. …
Quelle

Smith gebraucht also die Metapher von der unsichtbaren Hand nicht im Sinne einer Voraussetzung (die unsichtbare Hand leitet zu dem Ergebnis) sondern in der Rückschau (das Ergebnis ist zu Stande gekommen als ob eine unsichtbare Hand geleitet hätte).

James R. Ottensen hat die Untersuchungen von Emma Rothschild zur unsichtbaren Hand sehr gut zusammengefasst:

Rothschild beginnt mit der Feststellung, dass Smith den Ausdruck „unsichtbare Hand“ nur einmal in The Wealth of Nations verwendet – woraus sie schließt, dass es unwahrscheinlich ist, dass er ihn als konzeptionelles Kernstück des Buches gemeint hat. Darüber hinaus zeigt sie, dass Smiths zeitgenössische und nahe zeitgenössische Leser diese Idee nicht als die bedeutendste im Werk Smiths in den Mittelpunkt stellten. Tatsächlich dauerte es fast ein Jahrhundert, bis man anfing zu behaupten, dass die unsichtbare Hand eine der, wenn nicht sogar die wichtigste Idee in seinem Buch sei.

Quelle

Jetzt doch mal ehrlich, so zu sagen „unter uns“: Welcher erwachsene Mensch glaubt – in konkreten Dingen wie Wirtschaft – an unsichtbare Mächte, an eine wohllenkende unsichtbare Hand? Das geht nach Meinung des Verfassers nur, wenn man für absurde Thesen und Theorien von heute „Beweise“ in der Vergangenheit sucht indem man alte Textstellen (oft nur Partikel!) aus dem Zusammenhang reißt und fehlinterpretiert, passend macht im eigenen Sinn!1)Obwohl der Mechanismus klar ist will ich ihn hier doch eindeutig benennen: Adam Smith ist nicht angetreten, „die Ökonomie zu begründen“ – sein Ausgangspunkt war die Moralphilosophie –, er ist von seinen Nachfolgern zum Gründervater gemacht worden! Welcher Zeuge könnte glaubwürdiger sein als „Zeus“ selber? Aber: Wenn man dann hergeht und aus seinen drei wichtigsten Werken das eine 800-Seiten Werk auswählt mit dem Originaltitel: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations – de: Der Wohlstand der Nationen – Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen – und von dort zwei Worte von Seite 371 [meine dtv-Ausgabe von 1978] herauspickt und sagt: „Das ist es! Hier steht’s geschrieben vom großen Adam Smith!“ dann liegt die Absicht auf der Hand. Und jeder der dieses nachplappert qualifiziert sich selbst als ahnungslosen Depp!

Soweit zum Original, dem alten Buch von Adam Smith. Dazu noch, als zweites Beispiel, das neue Buch, hier eines von Ulrike Herrmann (2016) Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung 2)vollständiger Titel: Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können, Westend Verlag, 2016, ISBN 978-3-86489-141-0 – unbedingte Leseempfehlung!. Auch hier ein Zitat aus der Wikipedia:

Adam Smith, durch David Ricardo zum Gründungsvater der Ökonomie erklärt, sei, so Herrmann von den „Neoliberalen“ gründlich missverstanden worden. …
Er habe das Unternehmertum nicht idealisiert, sondern seinen „natürlichen“ Hang charakterisiert, durch Kartellbildung und Monopole Wettbewerb zu beschränken, die Märkte auszuweiten und die Gesetze von Angebot und Nachfrage und damit er Preisbildung auszuschließen. Herrmann zitiert Smiths Diktum, dass sich „Leute aus der gleichen Branche (…) selten treffen, selbst zum Vergnügen und zur Abwechslung, ohne dass die Unterhaltung mit einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder mit einem Trick, um die Preise zu erhöhen“. Kaufleute, so Smith nach Darstellung von Herrmann, würden „Monopolpreise kassieren“ und damit, im Zitat Smiths „eine absurde Steuer vom Rest ihrer Mitbürger verlangen“. Smith habe sehr deutlich gesehen, dass der englische Staat „längst zur Beute der herrschenden Klasse geworden“ war.
Eigentliches Ziel Smiths sei gewesen, die Armen und Ausgebeuteten zu befreien, nicht allein aus Gerechtigkeitsgründen, sondern in erster Linie, weil ihm bewusst gewesen sei, dass der Wohlstand der Reichen nur zusammen mit dem Wohlstand der gesamten Bevölkerung bestehen konnte: „Er wusste, dass eine Gesellschaft nur prosperieren kann, wenn auch die unteren Schichten profitieren.“
Er habe die Nachteile der Arbeitsteilung erkannt und, Adam Ferguson folgend, die Stupidität der Arbeit und die physische wie geistige Verkümmerung der Arbeiter kritisiert, worauf sich später Marx in seiner Kritik an entfremdeter Arbeit stützen konnte.

und weiter, zur unsichtbaren Hand:

Das einzige Zitat Smiths von der „Unsichtbaren Hand“, das von Neoliberalen als Grundprinzip seiner Wirtschaftstheorie aufgefasst und fehlinterpretiert werde, beziehe sich gerade auf Smiths Forderung nach freiem Kapitalverkehr. Die Unsichtbare Hand würde dafür sorgen, dass Unternehmer „nicht ins Ausland abwandern, sondern vor allem die heimische Industrie fördern, obwohl sie nur ihr Eigeninteresse im Blick hätten.“

Insgesamt gilt also: Wenn Du neues Wissen suchst, schlag nach in alten Büchern. Suchst Du „Beweise“ für Deine Thesen, dann führe den Beweis – und missbrauche nicht die Vordenker für Scheinbeweise durch unvollständige Zitate/Fehlinter-pretationen!

Einzelnachweise

Einzelnachweise
1 Obwohl der Mechanismus klar ist will ich ihn hier doch eindeutig benennen: Adam Smith ist nicht angetreten, „die Ökonomie zu begründen“ – sein Ausgangspunkt war die Moralphilosophie –, er ist von seinen Nachfolgern zum Gründervater gemacht worden! Welcher Zeuge könnte glaubwürdiger sein als „Zeus“ selber? Aber: Wenn man dann hergeht und aus seinen drei wichtigsten Werken das eine 800-Seiten Werk auswählt mit dem Originaltitel: An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations – de: Der Wohlstand der Nationen – Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen – und von dort zwei Worte von Seite 371 [meine dtv-Ausgabe von 1978] herauspickt und sagt: „Das ist es! Hier steht’s geschrieben vom großen Adam Smith!“ dann liegt die Absicht auf der Hand. Und jeder der dieses nachplappert qualifiziert sich selbst als ahnungslosen Depp!
2 vollständiger Titel: Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können, Westend Verlag, 2016, ISBN 978-3-86489-141-0 – unbedingte Leseempfehlung!

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